Es dauert ein wenig, bis aus dem „Berggranat“ mit der Wärme und dem Speichel im Mundraum tatsächlich ein „schöner Baatz im Mund“ entsteht, wie es Käsesommelier Marcel Kreidl von der Erlebnissennerei Zillertal empfiehlt, um ein optimales Geschmackserlebnis bei der Bier- und Käseverkostung zu erzielen, die er zusammen mit Diplom Biersommelier Philipp Geiger von Zillertal Bier durchführt.
Denn erst wenn der parmesanartige Almmilchkäse eben diese Konsistenz hat, ist nach Meinung der beiden nämlich der richtige Moment gekommen, um einen Schluck „Zillertal Schwarzes“ zu nehmen und so das Genusspaar seinem Höhepunkt zuzuführen. Erst dann trifft die kräftige Würze des Käses in Höchstform auf die feinen Karamellnoten des Biers.
Bier- und Käseverkostung mit Diplom Biersommelier Philipp Geiger und Käsesommelier Marcel Kreidl
Insgesamt fünf dieser Genusspaare aus Käse und Bier sollten die rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Frühjahrstreffen des Verbands der Diplom Biersommeliers im Zillertal an diesem Nachmittag bei Zillertal Bier bekommen, wobei die Kombination von Graukäse aus Heumilch mit feinsäuerlichen Joghurt- und Hefenoten und durchzogen von Topfenstücken mit dem „Zillertal Weißbier Hell“ die vielleicht ungewöhnlichste war. Doch es sollten nicht die einzigen geschmacklichen Höhepunkte des Frühjahrstreffens von Donnerstagabend bis Sonntagmittag – ganz abgesehen von den informativen und kommunikativen – sein.
Für Biersommelier Ingo Barkow dürfte das Highlight wohl sein – noch dazu überaus deutlicher - Sieg über alle anwesenden Kollegen bei einer Blindverkostung eines Malheur 12, einer Cuvée Barrique 2018 von Schneider Weisse und eines Thomas Hardy`s Ale von 2019 gewesen sein. Dabei musste erkannt werden, aus welchem Land die jeweilige Bierart stammt, welcher Bierstil es ist, welchen Alkoholgehalt das Bier hat und von welcher Brauerei es kommt. Barkow wurde mit einem Löwenzahnkranz gekrönt und erhielt als Preis die drei verkosteten Biere.
Bierspezialitäten, die in der Blindverkostung erkannt werden mussten
Keinen Sieger gab es selbstverständlich bei den Wanderungen zur Jörgler- und Lackenalm bzw. zu den Krimmler Wasserfällen. Besiegt wurden dabei höchstens der innere Schweinehund jedes Einzelnen und die eine oder andere Kalorie, die sich durch üppige Mahlzeiten, zahlreiche verkostete Biere und - ja auch – allerlei Destillate angesammelt hatten.
Wanderung zur Jörgleralm
Denn bei der Besichtigung der Schaubrennerei Stiegenhaushof in Schwendau in der Nähe von Zell am Ziller ließen es sich Brennmeister Martin Fankhauser – zuständig für die Edelbrände – und seine Frau Kathrin – verantwortlich für die Liköre – nicht nehmen, ihr Sortiment zusammen mit einer freilich auch notwendigen Jause zu präsentieren. „Schnaps ist nicht gleich Schnaps“ ist eine wichtige Erkenntnis aus dem Besuch beim Stiegenhaushof, wo seit 1870 destilliert wird. Denn dort wurden über die Generationen hinweg aus dem „guadn oidn Schnapserl“ hochwertige Destillate, wie alle bei der Erkundung der Duftstraße erriechen und später bei der Verkostung auch erschmecken konnten. Besonders stolz ist Fankhauser, der 2005 sein Hobby zum Beruf machte und seitdem zahlreiche Auszeichnungen eingeheimst hat, im Übrigen auf seinen Meisterwurz. Die dafür nötigen Wurzeln werden auf Höhen zwischen 1800 und 2200 Metern auf den nahegelegenen Bergen von Hand ausgegraben.
So hoch hinaus müssen Christoph Bichler, Inhaber und Headbrewer der Tiroler Brauerei Bierol aus Schwoich bei Kufstein, und seine für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Frau und Biersommelière Lisa Luginger-Bichler nicht, um ihre Biere herzustellen. Auf Höhenflug befinden sie sich dennoch, auch wenn sie im wahrsten Sinn des Wortes geerdet sind. Denn während beispielsweise ihr Imperial Coconut Cocoa Stout „Bomboclaat“ 2018 als „Gault & Millau Bier des Jahres“ ausgezeichnet wurde und Thomas Moser als Mann am Herd dem der Brauerei zugehörigen Restaurant eine Haube beschert hat, heißt es in Schwoich „Back to the Roots“. Und das nicht nur wegen des „The Root“, ein Saison mit Roter Bete – und mit High Drinkability.
Bier bei Bierol
Laut Christoph Bichler hat man sich bei Bierol auch auf die Landwirtschaft rückbesonnen, die auf dem Stöfflhof, der jetzigen Brauerei, früher gang und gäbe war und es beispielsweise mit lokalem Getreide heute wieder ist. Allein die Sache mit dem eigenen Hopfen hat nicht ganz so geklappt wie gedacht. Weil nämlich Wühlmäuse den verschiedenen Anpflanzungen arg zusetzten, entschlossen sie sich bei Bierol, den Nagern mit Schafen zu Leibe zu rücken. Die verdichteten zwar wie geplant den Boden und machten den Wühlmäusen das Leben schwer, doch sie fanden andererseits auch selbst Gefallen am Hopfen und fraßen ihrerseits das Grüne Gold weg.
Doch wer Biere wie „Spruce Willis“, ein IPA mit Fichtentrieben, braut oder ein Pale Ale namens „Padawan“ als Nr. 1 seiner Core Range nennen kann, den kann so leicht nichts erschüttern. Denn „Padawan“ ist nichts anderes als ein Akronym für „Pale Ale doing alright without a Name“. Diesen nicht vorhandenen Namen, aber vor allem den Namen „Bierol“ wird man sich auf alle Fälle merken müssen.
Ebenso wie einige Aussagen, die Jens Luckart, Ausbildungsleiter der Kiesbye Akademie, als selbst ernannte „Vorgruppe zum Abendessen“ im sehenswerten neuen, mit Videoinstallationen aufwändig gestalteten BrauKunstHaus von Zillertal Bier, dem Gastgeber des Frühjahrstreffens, machte. Luckart setzte zu einem Streifzug durch die österreichische Bierlandschaft an, sprach von 324 Brauereien im Jahr 2021, vom sinkenden Pro-Kopf-Bierverbrauch (von 109,0 Liter im Jahr 2000 auf geschätzte 97,4 Liter 2021), vom steigenden Anteil von Lager/Märzen (2011: 63,3%, 2021: 69,7%) und vom Einbruch beim alkoholfreien Bier im Corona-Jahr 2020. Denn: „Wenn`s uns schlecht geht, trinken wir kein alkoholfreies Bier“.
Jens Luckart, Ausbildungsleiter der Kiesbye Akademie über die Österreichische Bierlandschaft
Und Luckart, der meinte, Biersommeliers „erzählen Geschichten und sind hungrig nach Wissen“, hatte auch noch einige Worte für den Verband parat. Das Wort setzt sich ihm zufolge zusammen aus einem „Verb“, also einem Tun-Wort, und „and“, also dem englischen Wort für „und“. Dieses Plus wiederum heiße „Verbinden“. Und zwar nicht nur im Sinne von Verbinden und Heilen von Wunden, sondern auch im Sinne von Zusammenbringen von Personen. Und das wiederum tue der Biersommelier-Verband mit seinen Treffen.
Unabhängig von Luckart hatte im Übrigen auch Brennmeister Fankhauser eine klare Meinung zur Informationsbeschaffung. Schulungen seien zweifellos als Grundlagen wichtig, so der Self-Made-Man über seine eigenen Erfahrungen. Aber: „Das Geheimnis für den Erfolg ist das Zusammensitzen nach den Schulungen mit Gleichgesinnten“. So wie es die Biersommelièren und Biersommeliers eben machen.
Autor
Norbert Schmidl
Biersommelier
Member of the Institute of Masters of Beer