Die Leistungen eines (Diplom) Biersommeliers und die notwendige Vergütung
Zuallererst: uns verbindet die Liebe zum Bier. Liebe ist etwas Emotionales. Und emotional ist nicht rational. Das wissen wir. Deshalb ist man versucht, sich aus Überzeugung und aus Ideologie zur Sache selbst, wichtige Faktoren außer Acht zu lassen und verkauft sich damit weit unter Wert oder sogar zu günstig, um die anfallenden Kosten zu decken.
Da mich immer wieder die Fragen erreichen, was ein Biersommelier in der Stunde verlangen soll, wage ich den Schritt, einmal eine Kalkulation aufzustellen bzw. die Kosten herzuleiten:
Beginnen wir bei den Grundkosten und hier bei der Ausbildung und Fortbildung – das „Dranbleiben“ am Thema. Ganz nüchtern können wir die Kosten (2023) und den Zeitaufwand herleiten:
- Ausbildung zum Diplom Biersommelier EUR 4.000, -- inkl. Hotel und Anreise – einmalig?
- (Weiterbildung zum Master of Beer – EUR 17.500, -- aktuell)
- Weiterbildung in Form des Frühjahrstreffen (EUR 1.000,--, je nach Destination) und des Herbsttreffens (EUR 1.500, --, ebenfalls abhängig von der Destination) beides jährliche Kosten.
- Der Mitgliedsbeitrag für den Verband EUR 50,-- aktuell
- Tägliche Recherche und Abonnement von Fachzeitschriften, etc. – unbezahlbar
Nehmen wir die Ausbildungskosten mal für 10 Jahre an (danach möchte man die Ausbildung wiederholen oder vertiefen) und angenommen man besucht beide Fortbildungsveranstaltungen, Verbandsmitgliedschaft vorausgesetzt, so kommt man auf:
- Anteilige Ausbildungskosten jährlich (auf 10 Jahre verteilt) EUR 400,--
- Fortbildungskosten jährlich EUR 2.500,--
- Verbandsmitgliedschaft EUR 50,--
- Kosten für Werkzeug, Gläser, Werbung, Unterlagen, Deko EUR 500,--
- Kleidung, sonstige Anschaffungskosten oder Abschreibung EUR 300,--
Das allein ergibt EUR 3.750,-- die es auf die Anzahl an Verkostungen zu verteilen gilt. Angenommen man macht 10 „große“ Verkostungen im Jahr sind schon allein EUR 375,-- auf der Uhr, da hat man noch nicht zu arbeiten begonnen. Macht man weniger Verkostungen jährlich, ist der Betrag entsprechend höher.
An- und Abreise, Vorbereitungsarbeit
Die An- und Abreise kann man verhältnismäßig einfach verrechnen: Mit (amtlichen) Kilometergeld. Dies ist zwar trotz steigernder Betriebskosten (zu mindestens in Österreich) seit sehr langer Zeit nicht mehr gestiegen, das sollte aber eine gute Stütze für den zu verrechnenden Betrag sein. Hierzu kommt aber auch die Fahrtzeit, welche man natürlich nicht unterschätzen darf. Je weiter entfernt, desto mehr Zeitspielraum sollte man veranschlagen. Man möchte ja nicht zu spät kommen. Mein Vorschlag: Kilometergeld + einen verhältnismäßig „normalen“ Stundenlohn.
Die Vorbereitungsarbeiten hängen auch immer von der Art der Verkostung ab. Werden Unterlagen ausgeteilt? Dann müssen diese Ausgedruckt werden (Kosten? Zeit?). Gibt es eine Präsentation? Dann muss die Technik vielleicht mitgebracht werden? Die Präsentation selbst angepasst werden?
ACHTUNG! Das Erstellen der Unterlagen und Präsentationen ist aber in den jährlichen Kosten eingerechnet (siehe oben)!
Allenfalls muss aber Bier bestellt, Gläser müssen rangeschafft, Tische und Tischwäsche inklusive Deko muss abgeklärt werden, Mitarbeiter zur Unterstützung müssen bereitstehen. Gläserpflege, -Austausch? -Reinigung? Food Pairing anbieten? Erstellen des Angebots. Recherche dazu. U.v.m.
Wie man unschwer erkennen kann, ist die Mühewaltung im Vorfeld nicht zu wenig. Und! Das Ganze gehört natürlich auch rückabgewickelt. Übriges (restliches) Bier – was passiert damit? Die Brauereien nehmen ausschließlich ganze Gebinde retour, wenn überhaupt eine Retourgabe möglich ist.
Sonstige Kosten (Raummiete, Helferinnen und Helfer, technisches Equipment, …):
Auch diese Kosten gehören natürlich mit in die Kalkulation. Speziell wenn man selbst der Veranstalter einer Verkostung ist und keine Räumlichkeiten zur Verfügung hat, ist oft eine Raummiete zu bezahlen.
Wenn die Helfer (für Bier nachschenken, Gläseraustausch, Gläserspülen, …) nicht vom Veranstalter gestellt werden, wird man ab 20 Personen wohl Unterstützung benötigen.
Kommen wir zum angemessenen Stundenlohn.
In Österreich – und wahrscheinlich auch in den restlichen deutschsprachigen Ländern – ist die Abrechnung mit dem Finanzamt bzgl. Steuern etwas kompliziert und hängt sehr stark von persönlichen Umständen ab. Als selbstständiger Unternehmer (so wie ich einer bin) muss man je nach Jahresgewinn zwischen 13 % und 50 % des Nettoeinkommens (abzüglich der anrechenbaren Aufwände) als Einkommenssteuer entrichten. Da man aber im Jänner meist noch nicht weiß, wie das Jahr laufen wird, bin ich ein Fan davon, von den 50 % Steuern auszugehen.
Warum ist das nun wichtig? Na ja, somit sind EUR 100,-- Stundenlohn lediglich EUR 50,-- (netto) nach Abzug der Steuern. Aber nicht das Netto eines Unselbstständig Tätigen, sondern der Nettoverdienst. In Österreich muss dann noch die gesetzliche Sozialversicherung und evtl. Zusatzversicherungen damit finanziert werden. Somit sind wir dann vielleicht schon bei 35,-- netto.
Wenn dann im Gegenzug noch jemand das Tagesgeschäft (wie es bei mir notwendig ist) übernehmen muss und diese Person EUR 20,-- Stundenlohn bekommt, dann bleiben von den EUR 100,-- (zugegeben sehr einfach gerechnet) noch EUR 15,-- übrig. Wenn Dir das reicht, ist es völlig OK. Mein Vorschlag wäre aber EUR 120,-- (immer ohne gesetzliche Umsatzsteuer!), denn dann sind es wenigstens EUR 35,--/h.
Kalkulatorischer Unternehmerlohn, kalkulatorisches Wagnis, kalkulatorisches Risiko, kalkulatorischer Gewinn
Diese Dinge haben wir vereinzelt schon angesprochen, möchte diese aber hier noch einmal zusammenfassen:
Unternehmerlohn: Man könnte den Stundenlohn bereits als Unternehmerlohn sehen, das ist aber im Verhältnis wahrscheinlich relativ wenig. Vor allem vor dem Aspekt, wenn man MitarbeiterInnen hat und diese entweder die Verkostung durchführen sollten oder einen im normalen Geschäftsbetrieb vertreten müssen.
Beim kalkulatorischen Wagnis sehe ich das übrige Bier, welches, da man ja meist in ganzen Gebinden einkauft, als solches verbleibt und anderweitig verarbeitet werden muss. Was passiert damit, wenn mal was über das MHD geht? Weiters die angesprochene Ausfallshaftung. Was oder wer übernimmt, wenn man selbst erkrankt? Man kann dies wahrscheinlich sogar versichern (dann wäre es ein kalkulatorisches Risiko), aber die Versicherung würde ja auch Geld verlangen. Also entweder reinkalkulieren oder eine echte Versicherung abschließen.
Kalkulatorisches Risiko: Was ist, wenn jemand nach einer Verkostung behauptet, das eine oder andere Bier hat bei ihm eine allergische Reaktion ausgelöst, er hat sich den Magen daran verdorben oder sonstige Gründe, welche auf einem zurückzuführen sind, welche auf Schadenersatzleistungen hinauslaufen?
Und last but not least wie der Franzose zu sagen pflegt: einen Gewinn möchte man als Unternehmen ja auch noch machen, denn sonst läuft das Ganze ja auf Liebhaberei raus und man ist verpflichtet, die in Abzug gebrachte Vorsteuer wieder an das Finanzamt zu retournieren. Wie hoch der Gewinn ausfallen soll/muss ist im Ermessen jedes Einzelnen.
Fassen wir mal zusammen:
Grundkosten für Ausbildung, Inventar, Unterlagen EUR: 375,--
Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit 2 h á 120,-- : UR 240,--
Anreise (je nach Entfernung, Annahme 100 km) Kilometergeld: EUR 120,--
Zeit für Anreise (Annahme 1,5 h je Strecke): EUR 180,--
Einsatzzeit als Biersommelier (Annahme 3 h): EUR 360,--
Sonstige Kosten (bei Bedarf Betrag einsetzen!): EUR
Kalkulatorische Kosten (Gewinn, Risiko, Wagnis, Unternehmerlohn): EUR 150,--
Biere zur Verkostung (Annahme für 150 Personen, je 7 Biere): EUR 1.500,--
Gesamtpreis netto (ohne Umsatzsteuer): EUR 2.925,--
Somit EUR 19,50 je Teilnehmer an der Verkostung. Das klingt doch fair, oder?
Leider ist es so, dass wir mit sprunghaften Fixkosten zu kalkulieren haben. D. h. sind es weniger Teilnehmer, steigt der Kostenbeitrag pro Person extrem.
Deshalb dieselbe Kalkulation mit lediglich 50 Personen als Teilnehmer:
Grundkosten für Ausbildung, Inventar, Unterlagen: EUR 375,--
Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit 2 h á 120,-- : EUR 240,--
Anreise (je nach Entfernung, Annahme 100 km) Kilometergeld: EUR 120,--
Zeit für Anreise (Annahme 1,5 h je Strecke): EUR 180,--
Einsatzzeit als Biersommelier (Annahme 3 h): EUR 360,--
Sonstige Kosten EUR Kalkulatorische Kosten (Gewinn, Risiko, Wagnis, Unternehmerlohn): EUR 100,--
Biere zur Verkostung (Annahme für 50 Personen, je 7 Biere): EUR 500,--
Gesamtpreis netto (ohne Umsatzsteuer): EUR 1.875,--
Und schon sind wir bei EUR 37,50 je Teilnehmer an der Verkostung.
Wohlwissend, dass nicht in allen Gegenden und Regionen jeder Preis durchsetzungsfähig ist, empfehle ich mit Nachdruck, dies als unterste Grenze anzusehen, um seine Kosten abzudecken.
Natürlich kann man dann herangehen und behaupten, dass man ja nicht selbständig ist und nicht so viel Steuern bezahlen muss.
Was ist aber, wenn sich aufgrund des Erfolges diese Tatsache ändert? Dann den doppelten Preis verlangen wird auch nicht funktionieren. Manch einer ist vielleicht nicht umsatzsteuerpflichtig aufgrund einer Kleinunternehmer Regelung. Auch Ok. Wird die Firmen sowieso nicht interessieren, im privaten Bereich ist das natürlich anders.
Was ist aber, wenn man plötzlich verhindert ist (Krankheitshalber, …)? Zahlt man dann den Rest selbst, den der Kollege mehr verlangt, inklusive der weiteren (entfernteren) Anreise? Oder sagt man die Veranstaltung kurzfristig ab und setzt damit die Reputation aufs Spiel und hat dann die Kosten der Vorbereitung selbst zu tragen?
Man kann auch nicht jedes Verbandstreffen besuchen oder an jeder Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, aber die Kosten dafür sollte man trotzdem für zukünftige Maßnahmen aufnehmen. Wenn nämlich keine 10 Verkostungen im Jahr zustande kommen, zahlt man ohnehin schon „drauf“.
Zusammenfassung:
- Basisbetrag für laufende Unkosten: EUR 375,-- (gerne nach eigenem Ermessen)
- Vor- und Nachbereitungszeit (Pauschale): EUR 240,-- (gerne nach eigenem Ermessen)
- Stundenlohn Empfehlung (2023): EUR 120,-- je angefangener Stunde
- Fahrtkosten (2023): EUR 0,50 je km
- Fahrtzeit (2023): EUR 60,-- je angefangener Stunde
- Kosten für das bereitgestellte Bier EUR ???,-- je nach Themen, Budget, Vorlieben, …
- Sonstige Kosten
- Kalkulatorische Kosten
Alle Beträge sind ohne gesetzliche Umsatzsteuer. Die kommt noch dazu, wenn verpflichtet.
Bitte bedenkt: Wer es günstiger abrechnet, schlägt sich unter seinem Wert. Außerdem gibt es mittlerweile gar nicht so wenige Kolleginnen und Kollegen, die dies hauptberuflich machen. Die können mit Unterdeckungen schon gar nicht arbeiten. Deren Existenz hängt davon ab, ob wir alle gemeinsam ordentliche Arbeit leisten. Darauf ein Bier!
„Die Freude über den günstigen Preis hält nicht so lange, wie der Ärger über schlechte Qualität!“
Anregungen:
- Hilfeleistung durch zuarbeiten vereinbaren oder Kalkulieren
- Was ist mit Ausfallshaftung? Wer übernimmt, wenn man selbst nicht kann?
- Bei selbstorgansierten Verkostungen ist die Raummiete noch ein Thema
- Generell unterscheiden zwischen „großen“ Verkostungen und „kleinen“ Verkostungen
- Fairness gegenüber hauptberuflich tätigen Biersommeliers (Unterschied – Nebenjob/Hauptjob)
(Text ist geistiges Eigentum von Wirt und Hotelier, Diplom Biersommelier Karl Zuser jun. Kopieren und Verwenden – auch auszugsweise - nur unter vorheriger schriftlicher Zustimmung erlaubt und unter Angabe der folgenden Bemerkung: Vorschlag des Berufsverbandes der Diplom Biersommeliers)
Fotos: Karl Zuser jun.
Autor
Karl Zuser jun.
Diplom Biersommelier, Wirt und Hotelier