Tolle Biere in tollem Ambiente: Beer Craft Bozen im Schloss Maretsch - „Hefejäger“ Mathias Hutzler spricht über seine Forschungsergebnisse.
Die Beer Craft Bozen ist ein gar nicht mal so kleines, aber sehr feines Bier-Festival, das nicht nur wegen der dort angebotenen Biere, sondern auch wegen des wunderschönen Ambientes von Schloss Maretsch ein Must im Terminkalender jedes und jeder Bierbegeisterten sein sollte. Vor Kurzem fand das Festival bereits zum siebten Mal statt, zum dritten Mal verbunden mit dem KuBo-Award, in dessen Rahmen die besten Biere der Messe ausgezeichnet werden.
Weit über 4000 Besucher strömten diesmal laut Initiator Robert „Bobo“ Widmann, gleichzeitig Chef der Bozner Batzenbräu, und Eventmanager Lukas Niedermayr, ebenfalls ein Mann der ersten Stunde, zu den gut 40 Brauereien, die ihre Biere im Innenhof sowie in den Sälen und Galerien des Schlosses präsentierten. Doch es gab nicht nur Biere zu verkosten, in einem Raum fand sich auch eine Cider Hall. Zudem wurden Food Pairings, ein Homebrewer Contest sowie eine Masterclass mit Bier-Guru Lorenzo „Kuaska“ Dabove zum Thema „La birra SOUR non esiste“ abgehalten.
Während nun das Schloss Maretsch ein besonderes Ambiente bietet, denn neben den Gewölben und Säulengängen können sich die Besucher auch im Freien vor dem Schloss – dann umgeben von Weingärten mit Lagrein-Reben – aufhalten, bieten die Macher der Beer Craft eine ebenso besondere Art der Verkostung durch die internationalen Jurymitglieder, um die besten der auf dem Festival vertretenen Biere (und nur diese sind für den Wettbewerb zugelassen) herauszufinden.
Und während bei anderen Bierwettbewerben immer ein mehrköpfiges Jurorenteam Biere einer bestimmten Kategorie blind verkostet und bewertet, führen die Verkoster bei der Beer Craft in einer ersten Bewertungsrunde Face-to-Face-Interviews mit den Ausstellern und lassen sich an deren Ständen die entsprechenden Biere zapfen und gegebenenfalls auch erklären, um dann darüber zu befinden, ob die Biere eines Weiterkommens in eine Finalrunde würdig sind. Erst dann wird in einer zweiten Runde sozusagen im stillen Kämmerlein wie bei einer „normalen“ Blindverkostung in Teams entschieden, welche Biere in den einzelnen Kategorien die Gold-, Silber- und Bronzemedaille erhalten und damit möglicherweise der Brauerei Ruhm und einen Absatzschub bescheren.
Für geladene Gäste wie Sponsoren, Juroren, Aussteller oder Mitarbeiter gab es aber auch noch einen Höhenflug im doppelten Sinn. Denn mit der Seilbahn ging es von Bozen hoch nach Oberbozen, wo im stilvollen Parkhotel Holzner nicht nur ein feines Drei-Gänge-Menü, sondern auch ein interessanter Vortrag auf sie warteten.
„Hefejäger“ Mathias Hutzler, Abteilungsleiter Mikrobiologie & Hefezentrum sowie stellvertretender Institutsleiter des Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der TU München, gewährte dabei zusammen mit dem Mikrobiologen Frank Maixner tiefe Einblicke in den Einfluss der Hefe, des „ältesten Haustiers der Menschheit“, auf das Bier im Laufe der Jahrtausende. Mehr als 70 Prozent des Geschmacks eines Bieres gehen laut Hutzler auf die dabei verwendete Hefe zurück. Insgesamt habe die Hefe somit deutlich mehr Einfluss auf das Bier als – wie manche meinen – der Hopfen. Und während man früher von 600 bis 700 aromagebenden Substanzen durch die Hefe ausgegangen sei, spreche man inzwischen von über 8000, so Hutzler.
Doch während diese Erkenntnis für den Hefejäger schon fast Normalität ist, zeigt auch er sich beeindruckt von einem anderen Ergebnis seiner Jagd. Denn von all den Hefepilzen, die er dabei von Wänden in alten Bierkellern weltweit gekratzt oder aus Inhalten uralter Flaschen gewonnen und in Bierwürzen gegeben hat, hätten nur wenige für einen schlechten Geschmack gesorgt und es seien, anders als bisher gedacht, 95 Prozent „akzeptabel“ und immerhin 40 bis 50 Prozent „relativ gut“ für Bier zu verwenden. Allerdings, so seine Einschränkung, seien sie vor allem für alkoholfreie oder -arme Biere geeignet, einen höheren Alkoholgehalt hätten dagegen nur sehr wenige produziert.
Hutzler, der in Weihenstephan den neuen Forschungszweig der Archeo-Fermentierung ins Leben gerufen hat, hat es darüber hinaus aber auch noch geschafft, zusammen mit einem Forscherteam die Entwicklung der erfolgreichsten Brauhefespezies aller Zeiten zu rekonstruieren, des Hefepilzes Saccharomyces pastorianus. Nach zahlreichen Hefejagden Hutzlers in zahlreichen Ländern ist nun klar, dass sich eines der einschneidendsten Ereignisse der Braugeschichte zwischen 1602 und 1615 in München ereignet hat, ausgerechnet im dortigen Hofbräuhaus. Denn ein Elternteil dieser berühmtesten Bierhefe, die obergärige Hefe Saccharomyces cerevisiae, kam demnach vermutlich aus dem niederbayerischen Schwarzach dorthin, also einem Ort, an dem damals ausnahmsweise Weißbier gebraut werden durfte.
Die kaltgärende Hefe Saccharomyces eubayanus wurde dort bereits verwendet und weil im Hofbräuhaus somit ober- und untergäriges Bier gleichzeitig produziert wurde, muss dort Anfang des 17. Jahrhunderts die Hochzeit der beiden Hefen eben zu Saccharomyces pastorianus stattgefunden haben. Ein super obergäriger Hefestamm vermählte sich damals also mit einem ebenso leistungsfähigen untergärigen Stamm.
Was dann kam, ist wieder weitgehend bekannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts isolierten Wissenschaftler in Dänemark aus den Hefemischungen Reinzuchthefen. Die untergärige Saccharomyces pastorianus wurde schließlich patentiert und ist als Saccharomyces carlsbergensis längst der Renner in der ganzen Bierwelt. Heute ist sie in quasi jedem Pils oder Lager zu finden.
Autor
Norbert Schmidl
Biersommelier
Member of the Institute of Masters of Beer